Zwischen der Kirche von Utrecht und Österreich gab es bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts intensive Beziehungen.

Karl VI. (1685-1740), der Vater Maria Theresias, hat unter dem Einfluss seines jansenistischen Leibarztes Garelli die Verlesung und Veröffentlichung der Bulle Unigenitus, die sich gegen Jansenius‘ Lehre wandte, in seinen Ländern verboten. Außerdem stand er dem Jesuitenorden, dem Hauptgegner der Jansenisten, äußerst skeptisch gegenüber.

Statthalter der österreichischen Niederlande, die durch den Streit um die Kirche von Utrecht beeinflußt wurden, war der greise Prinz Eugen von Savoyen. Er befürwortete den Jansenismus nicht, hielt sich aber loyal an die Weisungen des Kaisers.

Seine Nachfolgerin, Erzherzogin Maria Elisabeth, stand jedoch unter dem Einfluss der Jesuiten und betrieb die Verfolgung des Jansenismus in den österreichischen Niederlanden. Prominente Parteigänger der Kirche von Utrecht, wie z.B. der berühmte Kanonist Van Espen, wurden vertrieben.

Van Swieten, ein Arzt und Reformer
Der prominenteste Vertreter der Kirche von Utrecht in Österreich aber war der Arzt Gerhard Van Swieten. Er wurde am 7. Mai 1700 in Leyden geboren und wurde ein Schüler des berühmten Arztes und Professors Boerhave, der in Leyden – damals dem Zentrum medizinischer Forschung - lehrte. Da Van Swieten jansenistischer Katholik war, konnte er in den reformierten Niederlanden keinen Lehrstuhl innehaben.

So übernahm er 1744 die Betreuung der im Kindbett erkrankten Erzherzogin Maria Anna, einer Schwester Maria Theresias. Obwohl er die Kranke nicht mehr retten konnte, berief ihn Maria Theresia 1745 als Leibarzt nach Wien.

Van Swieten wurde bald mit einer Vielzahl von Aufgaben betraut: Er war Direktor der Hofbibliothek, Direktor – wir würden heute sagen "Dekan" – der medizinischen Fakultät der Alma Mater Rudolfina und Leiter der Studien- und Bücherzensur-Hofkommission.

Van Swieten ging sofort daran, das Studienwesen in Wien zu reformieren und schuf so die Grundlagen der ersten Wiener Medizinischen Schule. Er reorganisierte das Spitals- und Heilwesen ebenso, wie er sich für soziale Einrichtungen, Findelhäuser, Hebammenschulen und den Neubau eines Universitätsgebäudes einsetzte.

Kaiserin Maria Theresia schätzte den Arzt außerordentlich, und so war es Van Swieten möglich, eine Reihe seiner jansenistischen Freunde bei Hof einzuführen. Es bildete sich eine Gruppe von äußerst einflussreichen Männern, die man als aufklärerisch bezeichnen könnte. Darunter sind Prälat Ignaz Müller, der spätere Beichtvater Maria Theresias, oder Dr. de Haen zu zählen, der nach Van Swietens Tod die einflußreichste Stimme der Jansenisten bei Hof war.

Auch die Reform der Kirche war ein Anliegen dieses Kreises. Gemeinsam arbeitete man daran, die Jesuiten aus den einflussreichen Hofstellen zu verdrängen. So übernahm z.B. ein Jansenist die religiöse Erziehung der jungen Erzherzogin Marie Antoinette, die später Königin von Frankreich werden sollte. Im Wiener Priesterseminar gehörte die Lektüre der großen jansenistischen Thologen zum Ausbildungsplan. Viele Kirchenfürsten wie z.B. der Bischof von Graz-Seckau, Graf Josef Philip von Spaur, oder der Fürsterzbischof von Salzburg, Fürst Colloredo-Mansfeld, erklärten sich mit der Kirche von Utrecht solidarisch. Auch die "Wienerische Kirchenzeitung", die von 1784 bis 1789 erschien, hielt engen Kontakt mit dem Erzbistum Utrecht.

1772 starb Van Swieten in Wien. Er liegt in einer Seitenkapelle der Augustinerkirche begraben, die auch als Begräbnisstätte der Herzen der in der Kapuzinergruft bestatteten Habsburger dient.